Donnerstag, 3. Mai 2007

Ramallah

Gestern war ein wirklich abwechslungsreicher Tag, von interessanten Gesprächen über tanzende Polizisten bis hin zum "rumgeballer" mit Maschinengewehren bezüglich des, von den Demonstranten gewünschten, Rücktritts von Premierminister Ehud Olmert.

Das Goethe Institut in Ramallah ist ein wirklich freundlicher Ort. Nicht zuletzt durch die freundliche und hilfsbereite Art von Ursula Gutcherian und Samira Hanini. Entspannt konnte ich in den Unterlagen zur Goetheplattform "Kunst und Krieg" recherchieren sowie in einem kurzen Gespräch mit den beiden die Lebens- und Sicherheitslage vor Ort sowie die Arbeit des Institutes im Allgemeinen bequatschen.

Darüber hinaus bekam ich 2 wichtige Tipps: Mich mit meiner Arbeit an die zwei führenden palästinensischen Kulurorganisationen, Sakakini-Foundation sowie die Qattan-Foundation zu wenden. Da ich ohnehin vor Ort war, dachte ich mir sofort dahin zu fahren. Faten Farhat, die Direktorin der Sakakini-Foundation hatte leider nur kurz Zeit. Mit ihr werde ich mich wahrscheinlich kommende Woche nochmals in Ramallah treffen.

Auf dem Weg zur zweiten Adresse, kreuzte ich den Löwenplatz, der (Chaos-)Verkehrsknotenpunkt der Stadt. Hier arbeitet, oder besser gesagt, tanzt, DER Botschafter der Stadt der Westbank, wenn nicht des ganzen Nahostkonfliktes. Abu Ali Read hat als Verkehrspolizist einen eigen Stil entwickelt das Chaos in der Stadt zu bändigen (Ampeln gibt es nicht, hätten auch keinen Sinn). Mit choreografiegleichen Tanzbewegungen läßt er Leute passieren oder Autos warten. Inmitten der Hektik, der allgegenwärtigen Gewalt, ist es er, der zeigt, dass die Leute die Lebenslust nicht verlernt oder verloren haben. Berühmtheit erlangte er bereits auch schon bei uns in Deutschland, genauer gesagt in den ARD-Tagesthemen. Leider sind seine Englischkenntnisse rudimentär und meine Arabischkenntnisse noch schlechter, sodass ich ihm nur kurz von seiner Botschafterrolle erzählen konnte.

Zunächst sah es bei der Qattan-Foundation auch nicht besser aus. Mahmound Abu Hashhash, Leiter der Abteilung für Kultur und Kunstprojekte, begrüßte mich mit den Worten nur 10 Minuten Zeit zu haben. 2 Stunden und eine halbe Tüte Haribo Maoam® später diskutierten wir immer noch! Das Gespräch war überaus herzlich und vor allem sehr offen. Er reagierte selbst auf kritische Fragen meinerseits gelassen und erläuterte mir den palästinensischen Standpunkt in der Öffentlichkeit, sowie die verzwickte Situation und den "Road Map"-Gedanken aus Kultureller Sicht. Er selbst studierte in London, UK, und sei sich dem Bild und dem Stellenwert in den europäischen Medien, welchen die Nahostpolitik dort hat, durchaus bewusst.
Meine Motivation und die Idee meiner Arbeit hielt er für visionär, betonte aber auch, das es eben diese Visionen sind, die die Dinge verändern können.
Auf die Frage: Wie sieht Palästina 2027 aus, erwiderte er spontan, dass lediglich die Zielgenauigkeit der israelischen Waffen besser und die Grenzkontrollen hightechmäßiger ausgeweitet sind.
Den Supergau, einen Krieg arabischer Staaten (er meinte vor allem Syrien) hielt er bis dahin für überaus wahrscheinlich.
Sehr schockierend für mich waren seine Schilderungen bezüglich militärischer Aktionen in der Westbank (vor allem Nablus und Ramallah) bei denen es regelmäßig zu Toten und Verletzten kommt. Hier vielen die Stichworte: Sippenhaft, Vorverurteilung und Schutzhaft.

Ich möchte das umkommentiert lassen, da ich ebenfalls Schilderungen auf israelischer Seite von ähnlichen Guerilla Aktionen von palästinensischen Terroristen gehört habe.

Da Waffen hier so selbstverständlich sind wie bei uns die Gartenzwerge, war es eigentlich nur für mich sehr befremdlich, als in der Nebenstraße ein halbes Magazin weggeballert wurde. Obwohl ich eher der neugierige Typ bin, war es mir in diesem Fall egal, warum, weshalb und wieso da geschossen wurde. Beunruhigend waren dann nur die Sirenen von Krankenwagen und Polizei 5 Minuten später. Gleichzeit kam es mir so vor, als ob ich der einzige gewesen bin der das gehört hatte. Das Alltagsleben ging ganz normal weiter, in den Geschäften wurde gefeilscht, Kaffee getrunken oder einfach nur sich unterhalten.

Die Rückfahrt der knapp 40 km langen Strecke hat aufgrund der Grenze/Checkpoint,Pass-, Gepäck- und Personenkontrolle gut 2 Stunden gedauert.

Abends, wieder zurück in Jerusalem und in meiner Luxusabsteige, kam es erneut zu Schüssen, diesmal viel mehr und häufiger.

Und wieder ging ein ganz normaler Tag im Nahen Osten zu Ende...

Heute früh habe ich auch den Grund für das "Geballer" erfahren. Das Winograd-Dekret, welches der aktuellen Regierung um Premierminister Ehud Olmert und seinem Verteidigungsminister Amir Perez die Hauptverantwortung für den im vergangenen Herbst geführten Libanonfeldzug zuschreibt und ihnen ein katastrophales Zeugnis der Kriegsführung ausstellt und Fehleinschätzungen sowie Beugung der Demokratie vorwirft.
Gestern demonstrierten gut 100 000 Menschen friedlich in Tel Aviv für einen Rücktritt der gesamten Regierung und vor allem Omerts. In Jerusalem waren es nur ein paar hundert, diese waren allerdings so aufgebracht, dass sie sich mittels ihren Waffen Gehör verschafften. Verletzt wurde - meinen Informationen zufolge - niemand.

Heute konnte leider nicht so viel erreichen, bei UNO (UN Office for Coordinations of Humanitarian Issues & Affairs - OCHA) sowie bei beim Israel/Palestine Center for Research and Information (I.P.C.R.I) und International Peace And Cooperation Center (IPCC) konnte ich mir nur ein paar Termine für kommende Woche holen. Wenigstens konnte ich den überaus guten israelischen Kaffee (Weltklasse!) mit einem unglaublich süßen Zuckerteil genießen :)






Auswahl an Kasetten mit Koranversen und Predigten


schöne Blumen!


ein Stück kalter Krieg geht weiter,.. Kalashnikov AK 47 (Russland) vs. M16 / M4 (USA) (siehe Bild unter Post: Jerusalem - Mea Shearim)


180° Panorama auf Ramallah


Botschafter für - und Institution in Ramallah, der "tanzende" Verkehrspolizist (Er regelt den Verkehr mit einer, ihm typischen Art, etwas zwischen Tango und Salsa).


das ganz normale Chaos

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

hi bernhard,
schaut ja schon ziemlich interessant aus.
hast du dir schon ein juden-käppi gekauft?
würd dir bestimmt gut stehn.
jedenfalls beneide ich dich um die besten falafel
der welt. na ja, dafür gibts hier spargel.
wünsch dir weiterhin eine gute zeit
und immer schön aufpassen.

lieber gruss aus deiner heimat

conny

p.s. dem krümel im bauch gehts übrigens gut.
kannst ja mal nach schönen jungennamen
ausschau halten. alles ausser samuel, gabriel, david...vielleicht falafel?